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Michael Schäffner Web - Print - Content | Digitalisierung | Projektbegleitung

Oder: Wie ich wieder Buchhalter wurde.

Im Spätherbst 2019 bin ich in die Selbständigkeit gestartet. Nach vielen von Zahlen geprägten Jahren sollte etwas anderes beginnen. Aber die Zahlen lassen nicht los. Vor allem dann, wenn man etwas dafür anbieten kann. Und so kam es, dass ich ein Buchhaltungsprojekt übernahm.

24. Februar 2022 – Zeitenwende.

Im geschäftlichen Sinne auch für mich: mit dem Krieg kam ein neues Projekt. Mein Bruder, Schatzmeister einer kleinen Menschenrechtsorganisation in Deutschland, berichtet mir am Telefon, wie das Vereinskonto und die Spendenbox auf der Webseite mit Spenden aus aller Welt überflutet werden. Bis Ende April waren es etwa 12’000 Zahlungsvorgänge. Schon im März konnte die Buchhaltung mit der bisherigen Software händisch nicht mehr sinnvoll bearbeitet werden. Ausserdem würden die Spender irgendwann – früher oder später – ihre Spendenbestätigung verlangen und das wäre dann in Handarbeit nur sehr aufwendig zu erledigen. Was tun? Das war die Frage der Stunde. Je länger diese Frage unbeantwortet blieb, desto grösser würde der Berg unverarbeiteter Spenden werden, denn nach wie vor gingen täglich Dutzende neue Zahlungen ein. Von 5 Dollar bis mehrere tausend Euro pro Buchung waren die Spendenbeträge, trugen verschiedene Zweckbestimmungen und müssten somit verschiedenen Zielen innerhalb des Vereins zugeordnet werden.

Gemeinsam berieten wir das weitere Vorgehen. Mein Bruder erledigte bis dahin die kleine Buchhaltung nebenbei, mithilfe eines einfachen Programms, was für den bisherigen Umfang völlig ausreichend war. Nun aber stellte sie ein grosses Hindernis dar. Ich schlug meinem Bruder aufgrund der erhaltenen Informationen vor, die sowieso geplante Ablösung der bisherigen Software mit dem Abarbeiten der aufgelaufenen Buchungen zu verbinden und dafür eine Gesamtlösung zu finden. Damit sollten die Prozesse erleichtert, sprich: soweit wie möglich automatisiert werden. Voraussetzung für das Projekt: wir machen einen Vertrag und der Vorstand und die Vereinsmitglieder werden über diesen und die familiäre Beziehung informiert und stimmen dem Vorhaben zu. Dieser Prozess wurde erfolgreich und zeitnah abgeschlossen, so dass die Arbeit an dem eigentlichen Projekt beginnen konnte.

Zunächst galt es, sich in zwei Bereichen Überblick zu verschaffen:

  • wie funktioniert das bisherige System von Konten und Spendenbox auf der Webseite und welche Daten sind von dort erhältlich?
  • Welche Buchhaltungssoftware deckt die Anforderungen des Vereins ab und gibt genügend Flexibilität für die kommenden Jahre?
Dabei war von Beginn an klar, dass die neue Buchhaltung ein online verfügbares System – möglichst browserbasiert, keine Client-Installation und keine eigene Serverumgebung – sein sollte. Die Einführung musste weitgehend ohne externe Hilfe und zeitnah möglich sein. Erstaunlicherweise reduzierten sich durch diese wenigen Anforderungen die Anzahl der potentiellen Lieferanten schnell. Komplett raus waren alle Anbieter, welche ihr System auf anderen Plattformen aufsetzen. Ebenso diejenigen, die ein Einführungsprojekt durch eigene Mitarbeiter voraussetzten. Dies wäre viel zu teuer geworden und ausserdem bestand die Befürchtung (aus Erfahrung), dass die Zeit für ein grosses Projekt nicht zur Verfügung stehen würde. Ebenso schieden Produkte aus, die eine eigene Serverinfrastruktur erforderten.

Weiter gab es zu bedenken, wie eine künftige Software Datenimporte ermöglicht, mit denen die händische Verbuchung vermieden oder mindestens soweit wie möglich reduziert werden konnte. Und auch dieser Vorgang sollte durch uns selbst und ohne manpower des Softwareanbieters umgesetzt werden können.

Rechenmaschine - Nicht mehr zeitgemäss.
Rechenmaschine – Nicht mehr zeitgemäss.

Aus meiner beruflichen Erfahrung wusste ich: es funktioniert. Aber das sind schöne Zusatzleistungen, welche die Softwareanbieter gerne verkaufen und sich Mühe geben, Datenstrukturen für sich zu behalten. Ein csv-Import ist nicht schwierig. Aber man muss wissen, wo welche Information hingehört und wenn ein Anbieter das nicht preisgibt, kann man sich selbst nicht weiterhelfen. Tatsächlich war die Aussage eines Softwarehauses: «Ja, das machen wir, aber da müssen wir ein Projekt mit unseren Experten starten.» (Tagessatz 1’300 Euro)

Ein weiteres wichtiges Kriterium, welches ich mit meinem Bruder festlegte, war die Konzentration aller Daten auf eine eigene Lösung. Spendenboxen usw. ermöglichen beispielsweise, direkt aus diesem System heraus Spendenbestätigungen auszugeben. Das hat Vorteile, aber bedeutet auch, dass man lange Zeit an dieses System gebunden sein könnte bzw. sich später gute Gedanken über die Dokumentation machen muss. Wechselt man den Anbieter, muss sichergestellt sein, dass alle Daten in die eigene Verfügungshoheit kommen, bevor der Account geschlossen wird.

Letztlich und nach umfangreichen Recherchen habe ich dem Vorstand vorgeschlagen, die Lösung «Vereinonline» (GRITH AG) einzusetzen. Dieses Produkt ist voll browserbasiert, seit vielen Jahren in Deutschland im Vereinsumfeld im Einsatz und vor allem sind die notwendigen Informationen für unsere geplanten Datenimporte offengelegt und es gibt eine Testmöglichkeit bzw. einen vollumfänglichen 90-Tage-Testzugang, bei dem sich mit Echtdaten arbeiten lässt (die ggf. später gleich dauerhaft übernommen werden können). Zudem ist der Preis im Vergleich zu den Leistungen und zu den anderen Anbietern und deren Leistungen sehr günstig. Der Vereinsvorstand gab grünes Licht für diese Lösung.

Die nächsten Schritte (durch die Tests überlagerten sie sich bereits etwas) umfassten die Vorbereitung der bestehenden Daten für den Import in die Buchhaltung (abgesehen von formalen Themen wie Festlegung des Kontenrahmens, Kostenstellen etc.). Das heisst, es musste ein Weg erarbeitet werden, über den die Daten von der einen Plattform (Bank, Spendenbox) in die andere Plattform (Buchhaltung) überführt werden konnten.

Der Verein benutzte zu dem Zeitpunkt ein Bankkonto bei der Ethikbank (VR-Verbund) und eine Spendenbox auf der Webseite, deren Zahlungen über den Zahlungsdienstleister Stripe und später auch über Paypal abgewickelt wurden. Spender geben in der Box ihre Daten, den gewünschten Spendenbetrag und die Zahlungsweise (Kreditkarte, Lastschrift, «Sofort»-Zahlung usw.) an. Stripe verarbeitet diese Zahlungen und der Schatzmeister veranlasst, die gesammelten Beträge monatlich auf das Bankkonto zu überweisen. Diese Zahlungsvorgänge sind sehr strukturiert und beinhalten alle Daten, die für die spätere Verarbeitung gebraucht werden, so etwa die Zweckbestimmung und, soweit vom Spender gewünscht, dessen Adressdaten in den dafür vorgesehenen Feldern (Strasse, PLZ, Ort, Land). Deshalb war es recht einfach, diese Daten mittels einer Excel-Tabelle mit Datenabfrage zu holen und auf einem zweiten Excel-Blatt in die für die Buchhaltung erforderliche Form zu bringen, inklusive Zuordnung zu den jeweiligen Buchhaltungskonten, Kostenstellen (Verwendungszwecke), Erstellen der Splits für Spenden und Plattformgebühren und die Erfassung der Spenderdaten für die weitere Bearbeitung wie Erstellung und Versand von Spendenbescheinigungen aus dem System heraus. Von da an musste nur noch die Stripe-Exportdatei in ein definiertes Laufwerk mit einem definierten Dateinamen gespeichert und in der Excel-Datei die Abfrage aktualisiert werden. Die zwei entstehenden neuen Datenblätter werden als csv gespeichert und in die Buchhaltung importiert. Fertig – jedenfalls in 95 % der Buchungsläufe. So konnten bereits mehrere tausend Spendeneingänge verbucht werden.

Die später hinzukommenden Zahlungen via Paypal wurde gesondert behandelt. Sie sind zwar auch über die Spendenbox erfasst wurden, im Stripe-Konto tauchen sie aber nicht auf. Der Export und Import verläuft ähnlich einfach, allerdings ergänzt mit den Umrechnungen aus den Paypal-eigenen Wechselkursen für Fremdwährungen, vor allem Dollar und Schweizerfranken.

Schwieriger war es beim Import des Bankkontos. Nach einigem Experimentieren mit dem MT940-Format entschied ich mich, auch hier die csv-Daten des Bankkontos zu verwenden. Leider sind diese Daten nicht besonders gut strukturiert. So erscheinen Spendernamen in den verschiedensten Konstellationen (Vorname, Nachname – Nachname, Vorname usw). Ausserdem ist die Adresse nur verfügbar, wenn der Spender diese im Textteil mitteilt, dann jedoch unstrukturiert. Gleiches beim Verwendungszweck. Hinzu kommt, dass dieses Konto das Geschäftskonto des Vereins ist. Das heisst, über dieses laufen auch die anderen Zahlungen wie Löhne, Projektgelder, Rechnungsbezahlung, Kreditkartenabrechnungen und vieles mehr. Das Bankkonto beinhaltete bei weitem die meisten Zahlungen, etwa 12’000 per Ende April.

Auch hierfür habe ich Excel benutzt. Zunächst wurden die Daten sortiert, unnötige Spalten entfernt und für den Sortiervorgang neue Spalten für Buchungskonten und Kostenstellen hinzugefügt. Dann habe ich mit den verschiedenen Excel-Suchfunktionen und «wenn-dann»-Formeln soweit möglich Zuordnungen zu Konten und Kostenstellen vorgenommen. Der Rest, der so nicht vorkontiert werden konnte, musste zu diesem Zeitpunkt in Handarbeit erledigt werden.

Den Import dieser Daten in die Buchhaltung habe ich schrittweise in etwa 10-Tages-Abschnitten vorgenommen, damit die erkennbaren Fehler leichter zu finden waren. Es gab Fehler aufgrund von Vertauschungen von Soll und Haben (kommt vor…) und vor allem immer wieder durch das Auftreten von Tausender-Trennzeichen, welches die Buchhaltung nicht akzeptieren wollte. Diese herauszufinden, zu korrigieren und bis heute darauf zu achten, kostet immer wieder Nerven. Deshalb ist es wichtig, jeden Importschritt sogleich mit dem Kontoauszug abzugleichen. Nach der Einführung erfolgt dies aber sowieso mit dem monatlichen Abschluss. Im Laufe des Aprils 2022 konnten so alle anstehenden Buchungen verarbeitet und die ersten Reporte dem Vorstand präsentiert werden.

Nach diesem Schritt wurden noch die Formulare für Spendenbestätigungen an das Vereins-Design angepasst und für verschiedene Einzelthemen Lösungen gefunden, die in der Software nicht von vornherein vorgesehen waren. Übrigens haben wir recht bald begonnen, die Personalkostenbuchungen zu importieren, welche das beauftragte Lohnbüro monatlich zusendet. Ausserdem werden Spesen und Vorschussabrechnungen via Import verbucht. In wenigen Minuten ist ein Vorschuss mit 50, 60 Buchungen verarbeitet. Aber: die Vorkontierung muss erledigt sein. Diese Buchhaltungs- und Kontrollaufgabe kann uns unser System nicht abnehmen.

Gegen Ende des Jahres 2022 waren die Arbeiten zwar nicht vollautomatisiert, erfolgen aber effizient. Niemand möchte 25’000 Einzelbuchungen (fast soviele sind es inzwischen) per Hand verarbeiten und dazu die entsprechenden Spendenbestätigungen per Hand ausstellen. Die Zeit dafür kann sinnvoller eingesetzt werden.

Künftig soll es für den Bankimport noch eine andere Lösung geben: ein Freund von mir hat dabei geholfen, die Zuordnung der Buchungen und Erstellung der csv-Datei mit der Programmiersprache R neu zu organisieren. Dieser Schritt ist in Arbeit. Mit dem würden dann die vorher genannten händischen Sortierarbeiten beim Bankkonto fast vollständig entfallen. Die Zuordnung zu Erlös- und Aufwandskonten und zu Kostenstellen würde weiter automatisiert. Sicher bleibt in Zukunft etwas Handarbeit zu tun, aber ich schätze diesen Anteil auf etwa 10 Prozent von der bisher notwendigen Zeit.

Wenn auch dieser neue Schritt in Richtung «advanced» geht, bin ich doch der Meinung, dass der gewählte Weg für den Verein der einfachste und effizienteste Weg war. Es mussten keine unverhältnismässigen Tagessätze für Spezialanforderungen aufgeworfen werden und alle Schritte sind für den «verständigen Computerbenutzer» nachvollziehbar, dokumentiert und anpassbar. Abgesehen vielleicht von der künftigen R-Lösung. Die braucht mehr Power im Bereich der Programmierung.

Gegen Ende des Jahres wurde die bisherige Spendenbox durch eine neue, inländische Lösung (Twingle) ersetzt. Diese Plattform liefert ebenso gute Daten, die sich leicht automatisch verarbeiten lassen, so dass die Umstellung zwar einen gewissen zeitlichen Aufwand bedeutete, aber letztlich reibungslos über die Bühne ging.

Die Buchhaltung des Vereins insgesamt wird von mir weiter betreut und mit Beginn des Jahres 2023 werden wir die weiteren Funktionen der Software nutzen, zum Beispiel die Rechnungserstellung für Mitgliedsbeiträge und überhaupt die Mitgliederverwaltung und anderes.

Übrigens bin ich durch dieses Projekt an ein weiteres Buchhaltungsprojekt gelangt, bei dem es ebenfalls um Datenimporte von einer Webplattform in ein Buchhaltungssystem geht. Aber davon berichte ich dann in einem neuen Blogbeitrag.

Links:
Vereinswebseite: Libereco – Partnership for Human Rights
Anbieter Vereinsbuchhaltung: vereinonline.org
Spendenbox: twingle.de

Code

Irgendwo im Code (Symbolbild) ist alles drin – die ganze Buchhaltung 2022.

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